Von Schöpferkraft und Widerstand

Frieden ist nichts für Faulpelze

Die Wahl einer der beiden Seiten eines Konflikts hält den Konflikt künstlich am Leben. „Was immer Du wählst, der Teufel bekommt seinen Anteil“ heißt es zurecht.

Frieden fordert vielmehr die freie Ent-Scheidung. Entscheidung hat mit Geburt zu tun. Es heisst, eine Welt zu verlassen, die zu eng geworden war und eine ganz neue Welt selbst zu wagen und zu gestalten.

 

Widerstand.

Einem starken Wind oder gar einem Sturm bieten wir Widerstand, indem wir uns dem Wind entgegenstemmen. Kommt uns der Wind von vorn entgegen, dann spannen wir die Muskeln an und stemmen uns stärker als der Wind nach vorn, damit wir nicht umgeweht werden.

Widerstand ist also gut. Eine wirklich wichtige Qualität!

Lässt der Sturm aber nach, dann lassen wir auch in unserem Widerstand nach und schöpfen Kraft. Würden wir das nicht tun, würden wir unnötig Kraft vergeuden und irgendwann erschöpft umfallen - das wäre schlecht, sobald der Wind wieder aufbrausen würde. Lässt der Sturm sogar plötzlich nach und wir bemerken es nicht …dann würden wir wohl ordentlich auf die Nase fallen - und zwar ganz allein aus eigener Kraft und ohne fremdes Zutun!

Im März 2020 hatte sich weltweit ein friedlicher Widerstand gestaltet, um die weltweit ausgerufene sogenannte (die Definition des Wortes war durch die WHO aufgeweicht worden, so dass heute jeder Fusspilz und jede Rotznase faktisch eine darstellen!) Pandemie nicht zum Ende der freien Menschen und des freien Miteinanders wird.

Das stärkste und erste friedliche Kraftfeld war am 1. August 2020 in Berlin entstanden. Als Teilnehmer der dortigen Demonstration bin ich Zeitzeuge. Um 12:00 Uhr standen wir auf der Straße Unter den Linden Berlin und lasen mit Erstaunen auf faz-online, spiegel-online usw., dass bloß eine Handvoll spinnerter Menschen vom Reichstagsgebäude von der dortigen Polizei vertrieben worden seien. Je nach Medium sprach man von 12.500 bis 17.500 Menschen. Erstaunlich! Denn wir standen gar nicht an diesem finsteren Gebäude mit seiner stets glücklosen Geschichte (ausgenommen die Zeit der Verhüllung durch Christo, da es da zum ersten mal nicht Macht sondern Demut zeigte). Wir standen vielmehr auf allen Fahrspuren Unter den Linden ab Brandenburger Tor und in den Seitenstrassen. Und wir waren - viele! Ich könnte eine Menschenmenge zwar nicht danach unterscheiden, ob es 17.500 oder 20.000 sind. Aber ob es 20.000 oder eine Million und noch darüber hinaus sind, das kann ich doch grob erkennen. Und wir waren deutlich eine satte Million friedlicher Menschen, die zudem auch vor Ort polizeilich bestätigt waren. Am Abend enthielt der Twitter-Account der Berliner Polizei jedoch -oups- gar keinen Eintrag, noch nicht einmal eine Bagatelle. Und das in Berlin?

Ich habe noch nie eine so große Anzahl friedlicher Menschen ruhig beieinander erlebt. Wir spazierten an Polizistinnen und Polizisten vorbei, denen ihr Dienstherr in der brütenden Hitze schon die Staubfiltermasken, sogenannte FFP2, aufgezwungen hatte. Viele, viele, viele schüttelten den Kopf beim Anblick dieser friedlichen Menschen und des wohl unsäglichen Dienstbefehls, der sie auf eine wild gefährliche Menge eingestimmt hatte. Nicht wenige sah ich auch mitsingen, wenn kleine Sprechgesänge entstanden waren. Mitsingen heisst hier: deutliche Sympathiebekundung durch Fusswippen, Kopfbewegungen und ähnliches. Ob wirklich Töne unter den Staubmasken hervorkamen, konnte ich nicht erkennen.

Widerstand. So erwuchs organischer, lebendiger Widerstand.

Auch als später an der Bühne der leitende Polizist den Stecker aus der gesamten Technik zog (spätestens hier konnten wir erkennen, dass wir eine satte Million Menschen waren!) und die friedliche, angemeldete Versammlung auflöste -mit deutlich hörbarem Druck und Widerstreben in seiner Stimme, da die Unverhältnismässigkeit dieser Maßnahme zweifellos war- war es friedlich. Die Stille, wenn über eine Million Menschen friedlich schweigen, ist stiller als still und stärker als stark. Faszinierend schön!

Widerstand. Eine wirklich wichtige Qualität!

Die „Maßnahmen“ wurden brutal, schon am Ende des selben Monats schlugen Monster in Polizeiuniformen bei einer erneuten, angemeldeten Versammlung mit roher Gewalt auf friedliche Menschen ein. Es ist mir wichtig: ich habe seither deutlich andere, angemessen handelnde und rechtsbewusste Polizistinnen und Polizisten erlebt!

Obwohl die „Regeln“ brutaler wurden, blieb der Widerstand friedlich und angemessen. Innerlich ist manch einer der lokalen Heroen jedoch verhärtet, hat das Zuhören (ohnehin eine derzeit verkümmerte, ungepflegtes Potential) gänzlich verlernt und den zeitlich erforderlichen und wichtigen Widerstand versehentlich als Selbstzweck und Personality Show missverstanden.

Widerstand ist wichtig. Das wache Erschaffen und Gestalten der Welt, in der wir leben wollen muß aber ebenso wichtig sein. Und das lebensfrohe Erschaffen muss, in der Zeit in der Widerstand abflauen darf, sogar wichtiger sein. Denn wer will schon den Rest des Lebens nur und ausschliesslich „dagegen“ sein?

Gestalten wir Frieden in aller Fülle und im Miteinander!

 

In freier Rede und mit diesen oben verfassten Aussagen hatte ich mich aus der aktiven Gestaltung der wöchentlichen Versammlungen bei ‚selberDenken Köln’ und vom Mikro während der Versammlungen zurückgezogen. Andere Menschen standen bereit, um einen Schritt nach vorn zu treten, und um es anders zu machen. Ich bin voller Dank für die Zeit mit den Menschen auf dem Kölner Heumarkt und bin gerne in den Kreis der Versammlungsteilnehmer zurückgegangen.

Die Rede wurde leider nicht wie üblich gefilmt und veröffentlicht. Die hierfür genannten Gründe waren so massiv widersprüchlich, dass sie mir wie der Ausdruck jener widerständigen Verhärtung vorkommen, die alleiniger Widerstand ohne atmende Lebendigkeit nun einmal bewirkt. "Hauptsache dagegen" ist nicht lebensfähig.

Die Wahl einer der beiden Seiten eines Konflikts hält den Konflikt künstlich am Leben. „Was immer Du wählst, der Teufel bekommt seinen Anteil“ heißt es zurecht.

Frieden fordert vielmehr die freie Ent-Scheidung. Entscheidung hat mit Geburt zu tun. Es heisst, eine Welt zu verlassen, die zu eng geworden war und eine ganz neue Welt selbst zu wagen und zu gestalten.

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